Der Liederkranz Möhringen

Lange Geschichte kurzgefasst

 

Politische Unruhen, Revolutionen und neuer Bürgerstolz prägten die Zeit, in der elf Freunde des Gesangs den Möhringer Liederkranz 1846 gründeten. Schnell kamen andere Sänger dazu. Der erste große Auftritt war 1855 anlässlich der Einweihung der Martinskirche und brachte dem jungen Verein viel Anerkennung.

 

Aber unruhig blieben die Zeiten, auch für die Sänger in Möhringen. Es war dem Kgl. Hofopernsänger August Kieß, einem geborenen Möhringer, zu verdanken, dass sich im Juni 1909 die drei bestehenden Gesangvereine am Ort zum „Liederkranz“ vereinigten. Mit dem Lied „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“ feierte man den Zusammenschluss. Noch waren es ja ausschließlich Brüder, die sich wöchentlich im Gasthaus Anker zur Singstunde einfanden. Und das Singen und Proben hatte Erfolg: Am 3. Juli 1910 präsentierte der Liederkranz beim Schwäbischen Sängerfest in Heilbronn das Chorwerk „Ossian“ unter der Leitung von August Kieß und gewann den 1. Preis. Der Empfang in Möhringen war überwältigend:

 

„ Die Häuser hatten Fahnen- und Blumenschmuck erhalten, und als der Sonderzug im Möhringer Bahnhof einfuhr, ehrte die Einwohnerschaft ihre Sänger mit einer imposanten Kundgebung. Die örtlichen Vereine, das bürgerliche Kollegium, die Festdamen sowie der Musikverein standen am Bahnhof und bejubelten die Sänger und ihren überall so beliebten Chormeister. … Mit Pechfackeln versehen, bildete die Möhringer Feuerwehr Spalier durch die bengalisch beleuchteten Straßen, bis sich der improvisierte Festzug am Sängerlokal Anker auflöste.“ (aus der Chronik des Ehrenmitglieds Otto Auch, 1946)

 

Der Erste Weltkrieg und die Jahre der Weimarer Republik brachten nicht nur Leid, Inflation und politische Unsicherheit, sondern ebenso Modernisierung und einen neuen Zeitgeist. Auch der Liederkranz trug dem Rechnung: 1927 wurde der erste Frauenchor mit 60 Sängerinnen gegründet. Seitdem waren die Frauen aus dem Vereinsleben nicht mehr wegzudenken; heute stellen sie in beiden Chören sogar die Mehrheit!

 

1935 wurden auch die Filderchöre „gleichgeschaltet“, und ab 1939 lähmte der Krieg das Vereinsleben; viele Sänger mussten Soldaten werden.

 

Erst im Oktober 1945 begann die Geschichte des Möhringer Liederkranzes erneut. Aber alles musste neu organisiert werden – der Probenraum (von den Besatzungsmächten belegt), die Sänger (z.T. noch in Gefangenschaft), ein neuer Chorleiter (der einen „Persilschein“ brauchte) und natürlich auch Geld ( Mitgliedsbeitrag 6 RM im Jahr!). Schließlich konnten aber alle Probleme überwunden werden, und unter dem neuen Chorleiter Rudolf Gehrung wurde das Frühjahrskonzert 1946 ein voller Erfolg. Im Juli 1947 konnte der Liederkranz trotz immenser Organisationsprobleme, die wir uns heute kaum noch vorstellen können, unter dem 1. Vorsitzenden Fritz Mühleisen sein 100-jähriges Bestehen feiern!

 

Die folgenden Jahre waren geprägt von einer gewissen bürgerlichen Kontinuität: Chorkonzerte mit deutschem Liedgut, das Kinderfest, Familienabende kennzeichneten das eher konservative Männer-Chor-Leben.

 

Das sollte sich ändern. Die unruhige Atmosphäre der Sechziger- und Siebzigerjahre brachte es mit sich, dass auch für das Chorleben neue Konzepte diskutiert wurden. So rückte endgültig der gemischte Chor in den Vordergrund und ein breiteres musikalisches Spektrum wurde zum Merkmal der Ära des neuen Chorleiters Paul Fügel. Unvergessen sind der Auftritt des Chors in der Liederhalle mit Beethovens 9. Sinfonie, die großen Opern- und Kirchenkonzerte sowie die legendären Bälle.

 

Neue – zukünftige Traditionen entstanden: der Hexenball zur Faschingszeit, das Kinderfest am neuen Ort und das Adventssingen beim Christkindlesmarkt – alles auch Ergebnisse der erfolgreichen Arbeit der 1. Vorsitzenden Werner Siegle (bis 1988) und Roland Asprion (bis 1994).

 

Der Stab wurde weitergereicht an Herbert Zipperlen, der als Vorstandsvorsitzender das 150. Jubiläum des Chores begleitete. Ein großer Festakt unter Anwesenheit von Bezirksvorsteher und Oberbürgermeister sowie Besuch vom Kultusministerium zeigten die Bedeutung des ältesten Möhringer Vereins für das gegenwärtige kulturelle und gesellschaftliche Leben im Stadtteil. Im großen Jubiläumskonzert im Züblin-Haus begeisterte der Chor unter Hermann Kuhnert sein Publikum mit italienischen Opernmelodien, begleitet von einem großen Orchester aus Mitgliedern des Württembergischen Staatsorchesters.

 

Trotz aller Feierlaune und berechtigtem Stolz auf die lange Tradition wurde aber deutlich: Es musste sich etwas ändern, wenn es gut bleiben sollte. Zwar blieben die großen Opern- und Kirchenkonzerte musikalische Höhepunkte, aber der Nachwuchs strömte dazu längst nicht so herbei, wie man sich das gewünscht hätte. Es ist dem großen Engagement der beiden 1. Vorsitzenden Herbert Zipperlen und Xaver Beck zu verdanken, dass im November 1996 der „Junge Chor Möhringen“ gegründet werden konnte und unter dem Chorleiter Alexander Reuter bald lobende Kritiken bekam. Gospels und Popmusik-Highlights standen im Mittelpunkt des Repertoires der „Local Vocals“, wie sich der Chor bald nannte.

 

Nicht jeder war mit den neuen Entwicklungen ganz glücklich. So soll auch nicht verschwiegen werden, dass die Sangesfreudigen und manch ein Dirigent sich wieder trennten. Glück hat dann jener Chor, der sich seinen Vorsitzenden gut gewählt hat: Da auch Xaver Beck eine Chorleiter-Ausbildung hat, musste „der Chef ran“. Und er tat es mit Kompetenz und Leidenschaft. Dies bewies er 1997, als er den „Fledermaus“-Querschnitt dirigierte. Auch im Jahre 1999 war er der Dirigent und leitete den Stammchor in seinem Jahreskonzert mit den „Perlen der Oper“.

 

1999 begann eine neue Ära: Burkard Miller wurde der neue Chorleiter, seit 2004 auch bei den Local Vocals. Große Auftritte folgten und festigten das Bild vom Liederkranz als einem Verein, der durch hohe gesangliche Qualität und Vielfalt bestach und sein Publikum immer wieder überraschte und begeisterte. Unvergessen zum Beispiel die „Anatevka“- oder „Carmina Burana“-Abende oder die Musical-Konzerte wie „Jesus Christ Superstar“.

 

Die elf sangesfreudigen Herren an jenem Abend des Jahres 1846 würden sich die Augen reiben darüber, was aus ihrem kleinen Verein geworden ist. Vieles hat sich völlig gewandelt und doch ist vieles unverändert. Die gleiche Freude am Singen beflügelt auch die heutigen Chormitglieder, lässt sie zur „Singstunde“ strömen, Zeit für Sonderproben oder für Mitarbeit bei Kinderfest oder Hexenball finden – eben für „ihren“ Liederkranz.

 

Die gut gemeinten humorvollen Worte des Möhringer Volksdichters Heinrich Wagner aus dem Jahre 1856 können daher noch immer Anspruch und Ansporn sein:

 

„Damit ihr singet preiseswert,

Euch rat ich, singt nicht schüchtern,

Und preisgekrönet wiederkehrt,

Womöglich aber nüchtern.“

 

 

Christine Will-Kreyssig

 

Der Liederkranz Möhringen – lange Geschichte kurzgefasst

 

Politische Unruhen, Revolutionen und neuer Bürgerstolz prägten die Zeit, in der elf Freunde des Gesangs den Möhringer Liederkranz 1846 gründeten. Schnell kamen andere Sänger dazu. Der erste große Auftritt war 1855 anlässlich der Einweihung der Martinskirche und brachte dem jungen Verein viel Anerkennung.

Aber unruhig blieben die Zeiten, auch für die Sänger in Möhringen. Es war dem Kgl. Hofopernsänger August Kieß, einem geborenen Möhringer, zu verdanken, dass sich im Juni 1909 die drei bestehenden Gesangvereine am Ort zum „Liederkranz“ vereinigten. Mit dem Lied „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“ feierte man den Zusammenschluss. Noch waren es ja ausschließlich Brüder, die sich wöchentlich im Gasthaus Anker zur Singstunde einfanden. Und das Singen und Proben hatte Erfolg: Am 3. Juli 1910 präsentierte der Liederkranz beim Schwäbischen Sängerfest in Heilbronn das Chorwerk „Ossian“ unter der Leitung von August Kieß und gewann den 1. Preis. Der Empfang in Möhringen war überwältigend:

 

„ Die Häuser hatten Fahnen- und Blumenschmuck erhalten, und als der Sonderzug im Möhringer Bahnhof einfuhr, ehrte die Einwohnerschaft ihre Sänger mit einer imposanten Kundgebung. Die örtlichen Vereine, das bürgerliche Kollegium, die Festdamen sowie der Musikverein standen am Bahnhof und bejubelten die Sänger und ihren überall so beliebten Chormeister. …Mit Pechfackeln versehen, bildete die Möhringer Feuerwehr Spalier durch die bengalisch beleuchteten Straßen, bis sich der improvisierte Festzug am Sängerlokal Anker auflöste.“                                 (aus der Chronik des Ehrenmitglieds Otto Auch, 1946)

 

 

Der Erste Weltkrieg und die Jahre der Weimarer Republik brachten nicht nur Leid, Inflation und politische Unsicherheit, sondern ebenso Modernisierung und einen neuen Zeitgeist. Auch der Liederkranz trug dem Rechnung: 1927 wurde der erste Frauenchor mit 60 Sängerinnen gegründet. Seitdem waren die Frauen aus dem Vereinsleben nicht mehr wegzudenken; heute stellen sie in beiden Chören sogar die Mehrheit!

1935 wurden auch die Filderchöre  „gleichgeschaltet“, und ab 1939 lähmte der Krieg das Vereinsleben; viele Sänger mussten Soldaten werden.

Erst im Oktober 1945 begann die Geschichte des Möhringer Liederkranzes erneut. Aber alles musste neu organisiert werden – der Probenraum (von den Besatzungsmächten belegt), die Sänger (z.T. noch in Gefangenschaft), ein neuer Chorleiter (der einen „Persilschein“ brauchte) und natürlich auch Geld ( Mitgliedsbeitrag 6 RM im Jahr!). Schließlich konnten aber alle Probleme überwunden werden, und unter dem neuen Chorleiter Rudolf Gehrung wurde das Frühjahrskonzert 1946 ein voller Erfolg. Im Juli 1947 konnte der Liederkranz trotz immenser Organisationsprobleme, die wir uns heute kaum noch vorstellen können, unter dem 1. Vorsitzenden Fritz Mühleisen sein 100-jähriges Bestehen feiern!

Die folgenden Jahre waren geprägt von einer gewissen bürgerlichen Kontinuität: Chorkonzerte mit deutschem Liedgut, das Kinderfest, Familienabende kennzeichneten das eher konservative Männer-Chor-Leben.

Das sollte sich ändern. Die 68er waren auch an Möhringen nicht spurlos vorübergegangen.

Neue Konzepte wurden diskutiert, der gemischte Chor rückte in den Vordergrund, und ein breiteres musikalisches Spektrum wurde zum Merkmal der Ära des neuen Chorleiters Paul Flügel. Unvergessen sind der Auftritt des Chors in der Liederhalle mit Beethovens 9. Sinfonie, die großen Opern- und Kirchenkonzerte sowie die legendären Bälle.

Neue – zukünftige Traditionen entstanden: der Hexenball zur Faschingszeit, das Kinderfest am neuen Ort und das Adventssingen beim Christkindlesmarkt – alles auch Ergebnisse der erfolgreichen Arbeit der 1. Vorsitzenden Werner Siegle (bis 1988) und Roland Asprion (bis 1994). Der Stab wurde weitergereicht an Herbert Zipperlen, der als Vorstandsvorsitzender das 150. Jubiläum des Chores begleitete. Ein großer Festakt unter Anwesenheit von Bezirksvorsteher und Oberbürgermeister sowie Besuch vom Kultusministerium zeigten

die Bedeutung des ältesten Möhringer Vereins für das gegenwärtige kulturelle und gesellschaftliche Leben im Stadtteil.

Trotz aller Feierlaune und berechtigtem Stolz auf die lange Tradition wurde aber deutlich: Es musste sich etwas ändern, wenn es gut bleiben sollte. Zwar blieben die großen Opern- und Kirchenkonzerte musikalische Höhepunkte, aber der Nachwuchs strömte dazu längst nicht so herbei, wie man sich das gewünscht hätte. Es ist dem großen Engagement der beiden 1. Vorsitzenden Herbert Zipperlen und Xaver Beck zu verdanken, dass im November 1996 der „Junge Chor Möhringen“ gegründet werden konnte und unter dem Chorleiter Alexander Reuter bald lobende Kritiken bekam. Gospels und Popmusik-Highlights standen im Mittelpunkt des Repertoires der „Local Vocals“, wie sich der Chor bald nannte.

1999 begann eine neue Ära: Burkard Miller wurde der neue Chorleiter, seit 2004 auch bei den Local Vocals. Bald kam ein neuer Schwung in die Chorstunden. Große Auftritte folgten und festigten das Bild vom Liederkranz als einem Verein, der durch hohe gesangliche Qualität und Vielfalt bestach und sein Publikum immer wieder überraschte und begeisterte. Unvergessen z. B. die „Anatevka“- oder „Carmina Burana“-Abende oder die Musical-Konzerte wie „Jesus Christ Superstar“.

 

Die 11 sangesfreudigen Herren an jenem Abend des Jahres 1846 würden sich die Augen reiben, was aus ihrem kleinen Verein geworden ist. Vieles hat sich völlig gewandelt und doch ist vieles unverändert. Die gleiche Freude am Singen beflügelt auch die heutigen Chormitglieder, lässt sie zur „Singstunde“ strömen, Zeit für Sonderproben oder für Mitarbeit bei Kinderfest oder Hexenball finden – eben für „ihren“ Liederkranz.

Die gut gemeinten humorvollen Worte des Möhringer Volksdichters Heinrich Wagner aus dem Jahre 1856 können daher noch immer Anspruch und Ansporn sein:

 

„Damit ihr singet preiseswert,

Euch rat ich, singt nicht schüchtern,

Und preisgekrönet wiederkehrt,

Womöglich aber nüchtern.“

 

 

                                                                                 Christine Will-Kreyssig